Das Rubondo-Experiment
Laborinsularität und Naturpolitik in der Dekolonisation Ostafrikas
Die Untersuchung der oft vernachlässigten ökologischen Ebene der Dekolonisation trägt zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen historischer Umbrüche auf die natürliche Umwelt bei. Auch hilft die Betrachtung eines Dekolonisationsprozesses von der Warte seiner naturpolitischen Facetten aus, die Tiefe der Zäsur für die Geschichte Ostafrikas zu ermessen und Natur als Einflussgröße auch auf politische und soziale Zusammenhänge begreifbar zu machen. Als erste monographische Darstellung der Geschichte von Rubondo Island bezieht die Untersuchung auch naturpolitische Maßnahmen auf der Insel während der deutschen Kolonialherrschaft ein und ist im Schnittfeld der Geschichtsforschung zur Dekolonisation in Ostafrika, der Umweltgeschichte, der Human-Animal Studies und der historisch orientierten Inselforschung positioniert.
Warum beinhaltete der postkoloniale Aufbruch in Ostafrika – die »Revolte gegen den Westen« (Geoffrey Barraclough) – nicht auch eine Abkehr von westlichen Konzepten von Natur und ihrem Schutz? Wie durchwirkte die Dekolonisation den Umgang mit der natürlichen Umwelt, und welchen Anteil trugen naturpolitische Initiativen an der Konfiguration der nachkolonialen Verhältnisse? Exemplarische Antworten auf diese Fragen suche ich in einer Nahbetrachtung der Geschichte von Rubondo Island, der ältesten und größten Naturschutzinsel Afrikas, gelegen im südwestlichen Teil des Viktoriasees.
Besondere Aussagekraft gewinnt der Fall dadurch, dass sich die Transition Rubondos von einer Fischer- zu einer Naturschutzinsel in der Umbruchphase von der spät- zur nachkolonialen Herrschaft vollzog: Am Vorabend der Unabhängigkeit Tanganjikas (1961) planten britisch-koloniale Wildhüter die Umsiedlung von Nashörnern aus den umliegenden Savannen nach Rubondo, um sie vor einer für die nachkoloniale Zeit befürchteten unkontrollierten Bejagung zu schützen. Für die 1963 begonnene Ansiedlung der gebietsfremden Tiere wiesen die Behörden die dort lebenden Menschen aus, die Banyarubondo. Ab 1966 erweiterte der deutsche Zoologe Bernhard Grzimek die Tieransiedlungen mit Mitteln der »Frankfurter Zoologischen Gesellschaft« auf Schimpansen, Elefanten und weitere Spezies, um Rubondo als »Arche Noah« für bedrohte Wildtiere zu profilieren und damit einer außerökologischen Nutzung zu entziehen. Mit der Konsolidierung des Einparteiensystems erklärte die Regierung Nyerere die Insel 1977 schließlich zum Nationalpark – nicht zuletzt, um sie für die nationale Tourismuswirtschaft in Wert zu setzen.
Die Untersuchung der oft vernachlässigten ökologischen Ebene der Dekolonisation trägt zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen historischer Umbrüche auf die natürliche Umwelt bei. Auch hilft die Betrachtung eines Dekolonisationsprozesses von der Warte seiner naturpolitischen Facetten aus, die Tiefe der Zäsur für die Geschichte Ostafrikas zu ermessen und Natur als Einflussgröße auch auf politische und soziale Zusammenhänge begreifbar zu machen. Als erste monographische Darstellung der Geschichte von Rubondo Island bezieht die Untersuchung auch naturpolitische Maßnahmen auf der Insel während der deutschen Kolonialherrschaft ein und ist im Schnittfeld der Geschichtsforschung zur Dekolonisation in Ostafrika, der Umweltgeschichte, der Human-Animal Studies und der historisch orientierten Inselforschung positioniert.
Bild: Rubondo Island im März 2015 © Felix Schürmann
Habilitationsprojekt
Dr. Felix Schürmann
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